
Kündigung während Krankschreibung: was Sie wissen müssen
Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schützt nicht automatisch vor einer Kündigung. Viele Arbeitnehmer gehen davon aus, dass eine Kündigung während einer Krankschreibung unzulässig ist – rechtlich ist das jedoch nicht zutreffend. Grundsätzlich darf ein Arbeitgeber auch dann kündigen, wenn der Mitarbeiter krankgeschrieben ist. Entscheidend sind die konkreten Umstände des Einzelfalls und die Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorgaben.
In diesem Beitrag erhalten Sie einen Überblick darüber, in welchen Fällen eine Kündigung während der Krankschreibung zulässig ist, welche besonderen Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung gelten und wie Sie sich gegen eine unrechtmäßige Kündigung zur Wehr setzen können.
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Darf der Arbeitgeber während einer Krankschreibung kündigen?
Der Irrglaube, eine Krankschreibung sei gleichbedeutend mit Kündigungsschutz, ist weit verbreitet. Tatsächlich gibt es kein gesetzliches Verbot, eine Kündigung während der Arbeitsunfähigkeit auszusprechen. Arbeitgeber dürfen einem Arbeitnehmer grundsätzlich auch während einer Krankschreibung ordentlich oder außerordentlich kündigen. Die Arbeitsunfähigkeit ist kein „Sperrgrund“ – sie erschwert jedoch je nach Kündigungsart die rechtliche Durchsetzung.
Ordentliche Kündigung trotz Krankschreibung
Eine ordentliche Kündigung ist an Fristen gebunden und muss sozial gerechtfertigt sein, wenn das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung findet. Das ist in Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern und bei einer Betriebszugehörigkeit von über sechs Monaten der Fall. Die Krankheit allein reicht in diesem Fall nicht aus – es müssen objektive Gründe für die Kündigung vorliegen, etwa eine dauerhafte Erkrankung mit erheblichen betrieblichen Auswirkungen.
Außerordentliche Kündigung während der Krankschreibung
Eine außerordentliche, also fristlose Kündigung kommt während der Krankheit nur dann in Betracht, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Das wäre etwa der Fall, wenn der Verdacht besteht, dass die Krankschreibung missbräuchlich erlangt wurde oder der Arbeitnehmer trotz Arbeitsunfähigkeit eine Tätigkeit ausübt, die seine Genesung gefährdet oder Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründet.
Besondere Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung
Die krankheitsbedingte Kündigung ist eine Unterform der personenbedingten Kündigung. Sie ist sozial gerechtfertigt, wenn drei Voraussetzungen kumulativ vorliegen:
- Negative Gesundheitsprognose: Es muss wahrscheinlich sein, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft arbeitsunfähig bleiben wird oder regelmäßig krankheitsbedingt ausfällt.
- Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen: Die wiederholten oder dauerhaften Fehlzeiten müssen zu einer erheblichen Belastung des Betriebs führen. Das betrifft beispielsweise Arbeitsausfälle, Produktionsverzögerungen oder Zusatzkosten durch Ersatzkräfte.
- Interessenabwägung zulasten des Arbeitnehmers: Es erfolgt eine Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitnehmers am Erhalt des Arbeitsplatzes und den betrieblichen Interessen. Dabei spielen Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter und Unterhaltspflichten eine Rolle.
Fehlt auch nur eine dieser Voraussetzungen, ist die krankheitsbedingte Kündigung unwirksam.
Beispiele aus der arbeitsrechtlichen Praxis
Ein Arbeitnehmer fehlt über mehrere Jahre hinweg immer wieder für mehrere Wochen aufgrund derselben Erkrankung. Die Prognose ist negativ, die betrieblichen Abläufe sind massiv gestört und eine Weiterbeschäftigung ist auch mit Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz nicht möglich. In einem solchen Fall kann eine krankheitsbedingte Kündigung rechtlich wirksam sein.
Anders ist es, wenn ein Arbeitnehmer einmalig mehrere Wochen krank ist, sich aber eine vollständige Genesung abzeichnet. Hier fehlt es an der negativen Gesundheitsprognose.
Verdacht auf vorgetäuschte Krankheit – fristlose Kündigung möglich?
Besondere Brisanz erhält die Kündigung während der Krankschreibung, wenn der Arbeitgeber den Verdacht hegt, die Erkrankung sei vorgetäuscht. Der bloße Verdacht reicht jedoch nicht aus. Der Arbeitgeber trägt die Beweislast dafür, dass die Krankschreibung missbräuchlich ist.
Nebenjobs während Krankschreibung
Nimmt ein krankgeschriebener Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit eine Nebentätigkeit auf, kann das zu einer außerordentlichen Kündigung führen – etwa dann, wenn die Tätigkeit mit der Erkrankung nicht vereinbar ist oder den Heilungsprozess behindert. Entscheidend ist immer die konkrete Tätigkeit und deren Auswirkung auf die Genesung.
Rechtsprechung zum Missbrauch der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Die Gerichte setzen bei der Annahme eines Missbrauchs hohe Maßstäbe. Eine Kündigung ist nur dann wirksam, wenn konkrete Umstände vorliegen, die ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründen – etwa widersprüchliches Verhalten des Arbeitnehmers, Zeugenaussagen oder Beobachtungen durch einen Detektiv. Ein bloßes Bauchgefühl des Arbeitgebers genügt nicht.
Kündigungsschutz während der Krankheit – wann gilt er?
Auch wenn eine Krankschreibung keinen automatischen Kündigungsschutz bietet, greifen in bestimmten Fällen besondere Schutzvorschriften. Diese gelten unabhängig vom Gesundheitszustand des Arbeitnehmers und müssen bei jeder Kündigung beachtet werden.
Schwerbehinderung
Arbeitnehmer mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 oder einem Gleichstellungsbescheid genießen besonderen Kündigungsschutz. Vor der Kündigung muss die Zustimmung des Integrationsamts eingeholt werden. Ohne diese Zustimmung ist die Kündigung unwirksam – auch während einer Krankschreibung.
Mutterschutz und Elternzeit
Während der Schwangerschaft sowie bis vier Monate nach der Entbindung besteht ein gesetzliches Kündigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz. Gleiches gilt während der Elternzeit. Eine Kündigung in diesen Zeiträumen ist nur in absoluten Ausnahmefällen und mit behördlicher Zustimmung zulässig.
Kündigungsschutz durch Betriebsrat oder Tarifvertrag
Besteht ein Betriebsrat, muss dieser vor jeder Kündigung angehört werden – auch während der Krankheit. In tarifgebundenen Unternehmen können darüber hinaus weitere Hürden bestehen, etwa verlängerte Kündigungsfristen oder besondere Regelungen zum Krankheitsfall.
Was sollten Arbeitnehmer nach einer Kündigung während Krankschreibung tun?
Wer während einer Krankheit eine Kündigung erhält, sollte zügig reagieren. Die wichtigste Frist: Drei Wochen ab Zugang der Kündigung muss beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage erhoben werden. Wird diese Frist versäumt, gilt die Kündigung als wirksam – unabhängig davon, ob sie rechtlich zulässig war.
Ein Anwalt für Arbeitsrecht prüft, ob die Kündigung wirksam ist und welche rechtlichen Schritte sich anbieten. In vielen Fällen lässt sich im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs eine Abfindung durchsetzen. Auch Weiterbeschäftigung oder Aufhebungsverträge können verhandelt werden.
Auch während der Krankschreibung besteht die Pflicht, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden, sobald das Ende des Arbeitsverhältnisses absehbar ist. Andernfalls droht eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld. Die Meldung kann auch telefonisch oder online erfolgen.
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Fazit: Kündigung während Krankheit
Eine Kündigung während der Krankschreibung ist nicht automatisch unwirksam. Vielmehr hängt die rechtliche Zulässigkeit von der Art der Kündigung, dem Kündigungsgrund und möglichen Schutzvorschriften ab. Wer eine Kündigung im Krankheitsfall erhält, sollte nicht abwarten, sondern zeitnah rechtlichen Rat einholen.
Lassen Sie die Wirksamkeit der Kündigung durch einen spezialisierten Anwalt für Arbeitsrecht prüfen. Nur so lassen sich Ihre Rechte wahren und mögliche Ansprüche auf Weiterbeschäftigung, Abfindung oder Arbeitslosengeld sichern.